Athletiktraining, Bewegung & Nachwuchsleistungssport – Stephan Bischoff vom Olympiastützpunkt Hannover

In dieser Folge des Waterpolo Expert Talks spricht Stephan Bischoff, Trainingswissenschaftler am Olympiastützpunkt Niedersachsen in Hannover, über seine tägliche Arbeit mit Nationalathleten aus unterschiedlichen Sportarten wie Wasserball, Rudern und Kanu – und darüber, welche zentrale Rolle Athletiktraining, Bewegungsqualität und individuelle Leistungssteuerung im modernen Hochleistungssport spielen.

Stephan erklärt zunächst die grundlegenden Unterschiede zwischen Einzelsportarten wie Rudern und Teamsportarten wie Wasserball. Während im Rudern klar messbare Leistungsparameter wie Wattzahlen oder 2000-Meter-Zeiten im Vordergrund stehen, beeinflussen im Wasserball zusätzlich Teamdynamik, Technik, Taktik und mentale Faktoren die Leistung. Genau diese Vielschichtigkeit mache den Reiz, aber auch die große Herausforderung im Teamsport aus.

Ein zentrales Thema der Episode ist der weitverbreitete Irrtum, dass Athletiktraining gleich Krafttraining sei. Stephan macht deutlich, dass Athletiktraining weit darüber hinausgeht: Es umfasst Beweglichkeit, Koordination, Körperkontrolle, Stabilität, Schnelligkeit und Verletzungsprävention – und beginnt bereits im Kindesalter. Ziel ist es, saubere Bewegungsmuster zu erlernen, um spätere Leistungsspitzen überhaupt erst gesund möglich zu machen.

Besonders kritisch beleuchtet wird die Bewegungsarmut moderner Kinder und Jugendlicher. Durch langes Sitzen in Schule, Homeoffice, Medienkonsum und fehlende Alltagsbewegung entstehen mittlerweile bereits im jungen Alter massive Einschränkungen der Beweglichkeit, insbesondere in Hüfte, Brustwirbelsäule und Schultergelenken – alles entscheidende Bereiche für den Wasserball. Ohne diese Grundlagen steigt das Verletzungsrisiko erheblich, und Leistungsentwicklung wird langfristig blockiert.

Auch die Corona-Pandemie spielt eine große Rolle im Gespräch. Stephan beschreibt, wie Schulschließungen, Homeschooling und ausfallende Trainingsangebote die körperliche Entwicklung vieler Kinder zusätzlich negativ beeinflusst haben. Gleichzeitig hebt er hervor, wie wichtig der weiterhin mögliche Trainingsbetrieb am Olympiastützpunkt für die mentale Stabilität und persönliche Balance der Athleten war.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Strukturen in kleineren Vereinen, die oft nicht über das Fachpersonal wie an einem Olympiastützpunkt verfügen. Stephan betont, wie wichtig es ist, dass Trainer sich regelmäßig weiterbilden – sei es in den Bereichen Athletiktraining, Ernährung, Sportpsychologie oder Physiotherapie. Niemand könne heutzutage alle Kompetenzfelder allein abdecken, weshalb funktionierende Netzwerke entscheidend seien.

Deutlich wird auch, dass Talent allein nicht ausreicht. Gute athletische Voraussetzungen machen noch keinen guten Wasserballer. Entscheidend sei die Fähigkeit, Bewegungen differenziert zu steuern, Situationen zu erfassen und technische Feinheiten umzusetzen – Fähigkeiten, die nur durch langfristige, saubere Ausbildung entstehen.

Abschließend geht es um die Bedeutung von Streaming, Medien und Sichtbarkeit für den Wasserballsport. Stephan begrüßt die wachsende mediale Präsenz, betont aber zugleich, dass auch der persönliche Erstkontakt – etwa durch Events im Freibad oder Schulaktionen – essenziell bleibt, um neue Zielgruppen für den Sport zu gewinnen.

Diese Episode liefert einen tiefen Einblick in die moderne Trainingswissenschaft, zeigt die großen Herausforderungen im Nachwuchsbereich auf und macht deutlich, warum Bewegungsqualität die Grundlage für jede sportliche Spitzenleistung ist.